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Von der Hölle der guten Ratschläge: Warum toxische Positivität bei Burnout und Depression so schädlich ist


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'Alles wird gut.' Ein gut gemeinter und Satz, der uns in schweren Zeiten Trost spenden soll. Doch oft trifft er den Nagel nicht auf den Kopf und kann sogar schaden. Gerade Menschen, die mit Depressionen oder Burnout kämpfen, erleben diesen Satz oft als abwertend und zurückweisend. In diesem Beitrag möchte mich dem Phänomen der toxischen Positivität widmen und erklären, warum diese Art von "Trost" mehr schadet als nützt.


Was ist toxische Positivität?

Toxische Positivität ist die Tendenz, 'negative' Emotionen und Erfahrungen zu negieren oder zu abzuschwächen. Es ist die unrealistische Erwartung, dass alles immer gut ausgehen muss und dass negative Gefühle einfach weggeschoben oder überwunden werden können. Das Phänomen Toxische Positivität ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, die oft ein positives Denken idealisiert. Dieser Druck, immer fröhlich und optimistisch zu sein, kann besonders für Menschen mit psychischen Erkrankungen eine große Belastung darstellen.


Am Arbeitsplatz herrscht häufig ein Klima, das den Ausdruck von Emotionen, insbesondere solchen, die als Schwäche oder Hilfsbedürftigkeit interpretiert werden könnten, unterdrückt. Besonders Führungskräfte stehen unter dem Druck, eine starke und unerschütterliche Fassade zu wahren. Die weitverbreitete Annahme, dass emotionale Verletzlichkeit mit geringer Leistungsfähigkeit einhergeht, ist jedoch ein Irrtum. Im Gegenteil: Die Entwicklung einer agilen Emotionalität, die es ermöglicht, ein breites Spektrum von Gefühlen anzunehmen und zu integrieren, stärkt das Selbstbewusstsein, fördert Flexibilität und erleichtert den Umgang mit Veränderungen. Um dieses Potenzial zu entfalten, müssen wir zunächst ein Umfeld schaffen, in dem alle Gefühle einen legitimen Platz haben.


Warum ist toxische Positivität schädlich?

Während eine gesunde positive Einstellung dazu beitragen kann, mit Herausforderungen umzugehen, geht toxische Positivität weit darüber hinaus. Im Gegensatz zu gesunder Positivität negiert toxische Positivität die Existenz negativer Emotionen und versucht, sie zu unterdrücken. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, in dem negative Gefühle immer wieder auftauchen und letztendlich noch stärker werden. Dies ist insbesondere für Menschen, die mit Burnout, Depression oder anderen psychischen Erkrankungen leben schädlich und fördert:


  • die Verleugnung von Gefühlen: Für Menschen, die mit Depressionen oder Burnout kämpfen, ist es außerordentlich wichtig, ihre Gefühle wahrzunehmen, auch wenn diese 'negativ' sind. Die ständige Aufforderung, positiv zu denken, kann dazu führen, dass sie sich schuldig fühlen und ihre Gefühle unterdrücken.

  • die zunehmende Isolation: Wer ständig mit positiven Sprüchen konfrontiert wird, fühlt sich oft missverstanden und zunehmend einsam. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, kann die psychische Belastung noch verstärken. Um dies aus dem Weg zu gehen, ziehen sich Menschen oft immer weiter zurück.

  • erzeugt unterschwellig Druck: Die Erwartung, immer positiv sein zu müssen, kann zu einer zusätzlichen Belastung führen. Betroffene fühlen sich unter Druck gesetzt, ihre Gefühle zu verbergen und ein positives Bild nach außen zu vermitteln. Dies fördert keinen offenen Umgang des Themas mentaler Gesundheit, sondern weiter Stigmatisierung.


Die Folgen für Menschen mit Depression und Burnout

Toxische Positivität kann dazu führen, dass Menschen vortäuschen, es gehe ihnen gut. Dies ist sehr gefährlich, da Mitmenschen oft ahnungslos sind, was sich im Inneren wirklich abspielt. Sie könnten den Eindruck gewinnen, dass ihre Unterstützung nicht gebraucht wird. Gleichzeitig erschwert, dies Betroffenen nach Hilfe zu fragen. Dies kann zu Distanz und Missverständnissen in den Beziehungen führen und diese belasten. Folgen können unter anderem sein:


  • Verschlimmerung der Symptome: Toxische Positivität kann dazu führen, dass Betroffene ihre Symptome verdrängen und nicht bereit sind, sich Menschen im privaten oder beruflichen Umfeld anzuvertrauen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

  • Scham und Schuldgefühle: Betroffene können sich schuldig fühlen, weil sie nicht "positiver" sind. Dies verstärkt negative Gedankenmuster, die Selbstkritik und innere Ablehnung gegen sich selbst fördern.

  • Verlust von sozialen Kontakten: Menschen, die ständig mit positiven Sprüchen konfrontiert werden, ziehen sich oft aus sozialen Kontakten zurück.

  • Abstumpfung bis zur Apathie: Toxische Positivität trägt dazu bei, die eigene Gefühlswelt zu verdrängen. Dies kann dazu führen, dass Menschen zunehmend die Verbindung zu ihrem Emotionen verlieren und nur ein ein Gefühl der inneren Leere zurück bleibt.


Wie kann man toxischer Positivität umgehen?

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie anstrengend und auslaugend es ist, stetig toxischer Positivität ausgesetzt zu sein. Dies wird sich auch erst sehr langsam ändern. Freunde, Familie und sogar Fremde meinen es nur gut meinen, wollen helfen und wissen nicht, was sie stattdessen sagen können (mehr dazu im Fazit). Das bedeutet, dass du lernen musst, mit toxischer Positivität umzugehen.


  • Muster erkennen: Um mit toxischer Positivität umzugehen, ist es zunächst wichtig, sie zu erkennen. Achte auf Phrasen wie 'Alles wird gut' oder 'Denk positiv!' in Situationen, in denen du dich verletzt oder überfordert fühlst.

  • Bedürfnisse Kommunizieren: Reagiere darauf, indem du deine Gefühle ehrlich kommunizierst. Sage zum Beispiel: 'Ich weiß, dass du es gut meinst, aber im Moment brauche ich eher jemanden, der einfach nur zuhört.'

  • Vertrauenspersonen auswählen: Darüber hinaus kann es hilfreich sein, sich ein Netzwerk von unterstützenden Menschen aufzubauen, die dich in deinen Gefühlen bestätigen und dir zuhören, ohne zu urteilen.

  • Seblstmitgefühl entwickeln: Anstatt uns selbst für negative Gefühle zu verurteilen, sollten wir lernen, Selbstmitgefühl zu entwickeln. Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst mit Wärme und Verständnis zu begegnen, so wie wir es einem guten Freund tun würden. Indem wir uns selbst erlauben, verletzlich zu sein, können wir besser mit schwierigen Situationen umgehen und unsere psychische Gesundheit stärken.

  • Unterstützung holen: Professionelle Hilfe, wie Coaching und Therapie, kann ebenfalls eine wertvolle Unterstützung sein, um Strategien zur Bewältigung negativer Emotionen zu entwickeln



Dies sind die Alternativen

Die ständige Konfrontation mit toxischer Positivität kann für Menschen, die mit psychischen Erkrankungen leben, sehr anstrengend sein. Anstatt zu versuchen, das Erleben 'schwieriger' Gefühle zu negieren oder abzuschwächen, sollten wir lernen, eine sichere Umgebung zu bieten, in der sich Menschen öffnen können. Für Angehörige, Freunde, und Mitmenschen am Arbeitsplatz ist es wichtig zu wissen, dass es Alternativen zu Ratschlägen oder Aufmunterungsversuchen gibt:


  • Aktiv zuhören: Anstatt Ratschläge zu geben, versuchen einfach zuzuhören und zu zeigen, dass man da ist.

  • Empathie zeigen: Verständnis zeigen für die Gefühle des Anderen und Vergleiche mit eigenen Erfahrungen vermeiden.

  • Offene Fragen stellen: Frage, was die Person gerade braucht oder wie sie in dem Moment am besten unterstützt werden kann.

  • Wertschätzung entgegenbringen: Anerkennen, dass es ein Vertrauensbeweis ist, wenn jemand durch eine schwierige Zeit geht und dies mitteilt.



Buchtipp

Es ist verständlich, dass Freunde und Familie oft nicht wissen, wie sie am besten unterstützen können. Indem wir lernen, die eigenen Bedürfnisse klar zu kommunizierst und ihnen Alternativen aufzeigen, tragen wir zu einem positivem Wandel bei. Ein Buch, das ich empfehlen kann ist: 'Depression. Das Richtige tun - Ein Ratgeber für Angehörige und Freunde'.



Hast du auch Erfahrung mit toxischer Positivität und möchtest lernen, besser damit umzugehen? Melde dich hier für meinen Newsletter an, in dem du Tipps zum Leben mit Depression und Burnout bekommst und über Events informiert wirst.


Deine Vera



Vera Hillmann

Mental Health Coach & Yoga Lehrerin

'Erschaffe Einklang in dir - denn mentale Gesundheit und ein erfolgreiches Leben dürfen kein Widerspruch sein!'



 
 
 

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