Realitätscheck: Warum Burnout im Beruf keine Medaille ist, sondern eine ernstzunehmende Gefährdung der psychischen Gesundheit.
- Vera Hillmann
- 26. Sept. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Okt. 2024

Stell dir vor, du stehst auf dem Gipfel eines Berges, die Aussicht ist atemberaubend, doch in deinem Inneren herrscht Leere. Dieses Gefühl der Erschöpfung, gepaart mit einer zunehmenden emotionalen Distanz, kennen viele Menschen, die unter Burnout leiden. Schlaflose Nächte, Konzentrationsschwierigkeiten und eine innere Unruhe bestimmen den Alltag. All dies beschreibt einen Zustand, der weit über einfache Erschöpfung hinausgeht und sowohl die körperliche als auch die mentale Gesundheit gefährdet. Aber warum sind so viele von uns betroffen? Und was können wir tun?
Als ich vor einigen Jahren mein Basecamp auf über 4.000 Metern erreichte, fühlte ich mich am Gipfel der Welt. Die strahlenden Sonnenstrahlen und die atemberaubende Aussicht ließen mich für einen Moment vergessen, was in meinem Inneren vorging. Denn kurz zuvor hatte ich meinen Job gekündigt und mich auf eine Reise nach Nepal begeben. Die Entscheidung, eine berufliche Auszeit zu nehmen, hielt ich damals für die beste. Doch die Ruhe und Freiheit der Berge konnten die tiefe innere Unruhe, die mich schon seit Monaten begleitete, nicht stillen. Ich musste ich mich der schmerzlichen Tatsache stellen: Auszeiten heilen leider keine psychischen Krankheiten.
Die Glorifizierung von Burnout
Leider wird in der Arbeitswelt Burnout heute immer noch als eine Art Auszeichnung für besonders harte Arbeit gesehen. Dies wurde mir wieder mal deutlich, als ich mich im Urlaub mit einem Start-Up Gründer unterhielt. Er berichtete voller Stolz: "Du gehörst erst richtig dazu, wenn du nach den ersten sechs Monaten einen Burnout hattest". Seiner Meinung nach, muss man sich im ersten halben Jahr im Job so richtig reinhängen. Ohne einen Burnout wurde man nicht als vollwertiges Teammitglied betrachtet.
Der Begriff 'Workaholic' trägt zu diesem gefährlichen Mythos bei. Er suggeriert, dass eine exzessive Arbeitsmoral erstrebenswert ist und zum Erfolg führt. Denn oft folgt auf viel Arbeit und gute Leistung beruflicher Erfolg, Anerkennung und Belohnung in Form von Beförderungen, Boni oder Lobpreisung. Doch die Realität sieht anders aus: Burnout führt zu einer Abwärtsspirale aus Erschöpfung, Demotivation und gesundheitlichen Problemen. Unternehmen zahlen einen hohen Preis für diese krankhafte Leistungsorientierung, denn Burnout führt zu erhöhten Krankenständen, einer höheren Fluktuation und einer verminderten Produktivität.
Während einige Unternehmen zwar Initiativen zur Förderung der Work-Life-Balance ergreifen, wie Wellness-Wochen oder Sportangebote, kratzen diese Maßnahmen oft nur an der Oberfläche. Das eigentliche Problem liegt in der tief verwurzelten Leistungsorientierung und dem Druck, ständig erreichbar zu sein. Es geht nicht darum, Freizeitaktivitäten in den Arbeitsalltag zu integrieren, sondern darum, Arbeitsbedingungen abzuschaffen, die psychische Erkrankungen fördern.
Der Realitätscheck: Was Burnout wirklich ist
Die ständige Suche nach Anerkennung und beruflichem Aufstieg treibt viele Menschen an ihre Grenzen. Doch der vermeintliche Erfolg hat oft einen hohen Preis: Burnout. Was zunächst wie ein Höhenflug erscheint, endet oft in einem tiefen Fall. Denn hinter der glänzenden Fassade von Karriere und Erfolg verbirgt sich häufig eine erschöpfte Seele und ein ausgelaugter Körper.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Burnout zwar als "berufliches Phänomen" eingestuft, doch die Auswirkungen auf das Wohlbefinden sind keineswegs zu unterschätzen. Burnout ist kein Zeichen von Schwäche, sondern die Folge von chronischem Stress, der Körper und Geist gleichermaßen belastet. Die Folgen reichen von Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten über soziale Isolation bis hin zu schweren Depressionen. Betroffene verlieren oft die Freude an ihren Tätigkeiten und haben Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Die Klassifizierung als "berufliches Phänomen" bedeutet nicht, dass Burnout weniger ernst zu nehmen ist. Im Gegenteil: Sie unterstreicht die Bedeutung von Arbeitsbedingungen, die die psychische Gesundheit fördern. Denn Burnout ist kein individuelles Versagen, sondern oft das Ergebnis struktureller Probleme in Unternehmen und Organisationen.
Wie merke ich, ob ich einen Burnout erleide?
Die Symptome von Burnout sind nicht bei jedem Menschen gleich und können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Zudem erlebt jede/r Burnout anders. Allgemein können Hinweise sein:
Emotionale Anzeichen:
Erschöpfung: Dauerhafte Müdigkeit und energielos sein, auch nach ausreichend Schlaf oder nach Erholungsphasen wie Wochenenden und Urlaub.
Zynismus: Abgestumpfte Gefühle, emotionale Distanz zu anderen.
Desillusionierung: Verlust von Freude und Interesse an Dingen, die früher Spaß gemacht haben.
Reizbarkeit: Geringere Toleranz gegenüber Stress und erhöhte Reizbarkeit.
Gefühl der Überforderung: Gefühl, den Anforderungen des Berufs oder Alltags nicht mehr gerecht zu werden, zunehmendes Gefühl der Verzweiflung.
Isolation: Rückzug aus sozialen Kontakten und starke Sehnsucht nach Ruhe, Schwierigkeiten soziale Kontakte aufrecht zu halten.
Körperliche Anzeichen:
Schlafstörungen: Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen, Schlafmangel.
Körperliche Beschwerden: Kopf-, Rücken- oder Magenschmerzen, häufigere Infekte und Entzündungen im Körper, Migräne, erhöhter Blutdruck.
Veränderungen im Essverhalten: Appetitlosigkeit oder Heißhungerattacken.
Verminderte Leistungsfähigkeit: Schwierigkeiten bei der Konzentration und Entscheidungsfindung, Gedächtnisschwierigkeiten und zunehmende Vergesslichkeit.
Verhaltensänderungen:
Vermehrter Konsum: Alkohol, Zigaretten, Shopping, Binge-Watching oder andere Substanzen und Konsumaktivitäten als Ausgleich.
Negativdenken: Pessimistische Zukunftsaussichten und negative Gedankenmuster.
Vernachlässigung von Hobbys: Verlust von Interesse an Freizeitaktivitäten und an Unternehmungen mit Mitmenschen.
Wichtig! Wenn du mehrere dieser Anzeichen bei dir beobachtest, ist es ratsam, ärztliche oder (psycho-)therapeutische Hilfe aufzusuchen.
Burnout Prävention funktioniert meistens nicht
In meiner Erfahrung als Coach und Führungskraft konnte ich schon oft beobachten, wie Menschen in den Burnout abrutschen. Selbst, wenn Aussenstehende wie, Freunde, Familie und Kolleg*innen ihre Sorgen mitteilen, wird dies meistens ignoriert. Die Glorifizierung von Burnout in einer Leistungsgesellschaft ist nur einer der Gründe, warum Anzeichen erst spät erkannt werden oder missachtet werden. Weitere Gründe sind, dass:
sich natürlich niemand wünscht, ernsthaft (psychisch) zu erkranken und diese Möglichkeit lieber verdrängen.
Angst vor einer Stigmatisierung am Arbeitsplatz und im persönlichen Umfeld herrscht.
es relativ leicht ist, Burnout Symptomen zu ignorieren oder sie als 'nur Stress' herunter zu spielen, da sich Langzeitfolgen oft erst nach Jahren zeigen.
die Anzeichen so unspezifisch sind und anfangs nicht dauerhaft auftreten, sodass erst nach vielen anderen Ursachen gesucht wird. Ein entstehender Burnout, ähnlich wie bei Depressionen, ist daher oft jahrelang unerkannt.
In vielen Unternehmen gibt es mittlerweile Programme, die der Burnout-Prävention dienen. Jedoch wird dies, meiner Erfahrung nach, nicht weitreichend angenommen. Vor allem nicht von den Menschen, die sich bereits auf den Weg in den Burnout befinden. Eben, weil die Symptome so lange ignoriert werden können, leben viele Menschen schon lange mit der Krankheit, bevor diese diagnostiziert ist. Doch, wenn die Anzeichen, vor allem auf körperlicher Ebene, nicht mehr weggedrückt werden können, ist es bereits zu spät für Prävention.
Hilfe und Unterstützung bei Burnout
Aus einem Burnout herauszufinden ist ein Prozess, der Zeit und Unterstützung benötigt. Neben professioneller Hilfe ist es entscheidend, selbst aktiv zu werden. Durch gezielte Stressmanagement-Techniken, Achtsamkeitstraining und die Entwicklung einer gesunden Lebensweise können Menschen mit Burnout ihre Resilienz stärken und Rückfällen vorbeugen. Die Auseinandersetzung mit den individuellen Ursachen des Burnouts ist ebenfalls von großer Bedeutung, um nachhaltig an der eigenen Gesundheit zu arbeiten.
Rückfällen vorbeugen: Stressmanagement-Techniken erlernen und anwenden, wie Methoden zu Achtsamkeit, Körperarbeit oder Atemübungen.
Selbstheilung lernen: Resilienz stärken mit Strategien zur Entwicklung einer inneren Stärke, um zukünftigen Belastungen besser standhalten zu können. Selbstfürsorge entwickeln, um den täglichen Umgang zu erleichtern.
Bedürfnisse priorisieren: Identifizierung der eigenen Werte und Bedürfnisse, innere Sicherheit gewinnen, Emotionen wertfrei wahrnehmen und danach handeln können.
Gesunde Grenzen setzen: Übungen zur klaren und assertiven Kommunikation, Kompetenz der Konfliktlösung steigern, Aufgaben abzugeben und Verantwortung zu teilen.
Neuorientierung erlangen: Verstehen, welche Faktoren im Arbeitsumfeld angepasst werden müssen und innere Stärke entwickeln, um die Veränderungen umzusetzen. Sich selbst neue Chancen geben, anstatt in alte Muster zurück zu fallen.
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Vera Hillmann
Mental Health Coach & Yoga Lehrerin
'Erschaffe Einklang in dir - denn mentale Gesundheit und ein erfolgreiche Karriere dürfen kein Widerspruch sein!'
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